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Terranische Alltagswelt

Redox

Roboter oder Androiden sind heutzutage überall in den verschiedensten Einsatzgebieten anzutreffen, sei es im öffentlichen Raum oder zu Hause.

Eine Sonderform dieser modernen »Arbeitssklaven«, die aber beileibe nicht in jedem Haushalt zu finden sind, stellen die »Redox« dar.

Im offiziellen Beamten-Terranisch werden sie als »Haushaltsroboter Klasse 3CII mit humanoider Identform zur primär physischen Befriedigung von körper­lichen Bedürfnissen« geführt. Ein eher puritanischer Zeitgenosse des 24. Jahrhun­derts hat sie einmal als »bessere Gummipuppen« bezeichnet und damit ihre Funktion auf ebenso knap­pe, wie treffende Weise beschrieben. Über die Herkunft des Begriffes sind sich die Etymo­logen nicht einig.

Ein möglicher Ursprung ist eine Verschleifung des Wortes »real doll«. Unter dieser Bezeichnung wurden schon Ende des 20. Jahrhunderts naturgetreu model­lierte Lustpuppen vertrieben, die unter ihrer Silikon­haut sogar über ein einfaches Skelett verfügten. Eine andere mögliche Herkunft besteht in der Ab­wandlung des Ausdrucks »real dogs«, der sich auf die umgangssprachliche Bezeichnung der aversen Stel­lung bezieht. Als dritte Möglichkeit steht der aus der Chemie bekannte Begriff »Redox« als Synonym einer »Reduzierung auf eine reine Triebbefriedigung« in der Diskussion.

 

Damit ein Redox seiner speziellen Aufgabe gerecht werden kann, unterscheidet sich allerdings schon der Grundkörper wesentlich von einem handelsüblichen Haushaltsandroiden.

Selbst bei einer mehr als oberflächlichen Untersu­chung ist ein Redox nicht von einem lebendigen Men­schen zu unterscheiden. Diese Bedingung stellt be­sondere Ansprüche an die Konstruktion.

Damit beim Anfassen ein natürlicher Eindruck erhal­ten bleibt, besteht das Grundgerüst aus einer Struktur aus Leichtkeramik in Verbundbauweise, die dem menschlichen Skelett nachempfunden ist. Insbeson­dere Strukturen, die nahe der Haut liegen und dadurch erfühlt werden könnten oder sich unter der »Haut« abzeichnen, wie Rippen, Rückgrat oder Schambein, sind exakt der menschlichen Anatomie nachgebildet. Die »Haut« besteht aus einem Polymer, in dem Heiz­elemente eingelassen sind, mit der diese Kunsthaut auf Körpertemperatur gehalten wird. Je nach Wunsch oder Stimmung können Duftstoffe über Mikroporen in dieser Kunsthaut abgegeben werden.

Entsprechend dem Einsatzzweck sind die primären und sekundären Geschlechtsmerkmale naturiden­tisch und gefühlsecht nachgebildet. Dies schließt z. B. auch die Simulation von orgastischen Kontrak­tionen oder die Sekretion aus nachgebildeten Bartho-linidrüsen ein.

 

Die Energiezelle befindet sich im Schädel. Sie wird in­duktiv aufgeladen, d. h. ohne störende Steckverbin­dungen. Die entsprechende Lade-Gegenstation kann jedem helmartigen Gegenstand nachempfunden sein. Im Normalfall sind dies unauffällige Gegenstände des täglichen Lebens, wie die Haube eines Hypnoschulge-räts.

 

Kernstück der Künstlichen Intelligenz ist eine positro­nische Einheit im Brustraum des Androiden.

Die genealogische Linie dieser Positroniken reicht zurück zu Robotern wie Meech Hannigan oder Vario-500. Letzterer besser bekannt in seiner Pseudo-Variablen Kokonmaske des Anson Argyris.

Da nie die Notwendigkeit bestand, diese speziellen Roboter mit einer biopositronischen. oder syntro-nischen Steuerung auszustatten, sind die Auswir­kungen des Hyperimpedanzschocks an dieser Klasse von Androiden vorübergegangen. Jedoch gerade weil sie werksseitig nur mit Positroniken ausgerüstet wur­den, sind sie nach der veränderten Hyperimpedanz oftmals ausgeschlachtet und als Steuereinheiten in anderen Einsatzgebieten zweckentfremdet worden. Unvergessen in diesem Zusammenhang ist die Anek­dote über den »Bürgermeister von Nowosibirsk und die liebestolle Betongussmaschine«. Auch hier war eine Redox-Steuereinheit im Spiel.

Damit die Vortäuschung eines lebenden Menschen aufrechterhalten wird, simuliert die Steuereinheit

sämtliche Verhaltensweisen, die ein Mensch an den Tag legt. So ist z. B. eine Reinigung nicht erforderlich, da ein Redox, wie ein Mensch, sich durch eine Dusche oder ein Bad selbst reinigt. Diese als »autonome Verhaltensweisen«, bezeichneten Unterprogramme schließen bei weiblichen Redox ein morgendliches Schminken mit ein.

 

Für eine erfolgreiche Funktion ist aber nicht nur erfor­derlich, dass ein Redox wie.ein Mensch aussieht und sich naturidentisch anfühlt; diese Anforderungen er­füllten auch die bereits erwähnten »real dolls« des 20. Jahrhunderts alter Zeitrechnung. Was die Redox von ihren »leblosen« Vorfahren unterscheidet, ist ihre interaktive Art und Weise, mit der sie auf ihren Besitzer geprägt werden.

Eine der wichtigsten Grundfunktionen hierbei ist die KSE, die Körpersprachen-Erkennung. Nur durch sie ist es einem Redox möglich, sich auf die unbewussten Gesten seines Benutzers einzustellen und seine Be­dürfnisse zufriedenzustellen. Auch wenn man dies nicht verallgemeinern kann, die­nen »weibliche« Redox bei heterosexuellen männ­lichen Besitzern vorwiegend der körperlichen Befrie­digung. Hierzu gehören auch Gesten und Äußerungen, die das Selbstwertgefühl des Mannes heben. Bei heterosexuellen Frauen mit einem »männlichen« Redox liegt die mechanische Triebbefriedigung weit hinter »verständigem Zuhören« und »langandau­ernde Zärtlichkeit« an dritter Stelle zurück.

 

Es gibt verschiedene größere und kleinere Anbieter. Die bekanntesten sind Pabo-T und Troll Incorporation. Auffällig ist, dass die in Robotfragen renommierte Whistler Company keine Modelle anbietet und auch nie angeboten hat.

ZurAuswahl stehen sowohl Modelle »von der Stange« als auch Ausführungen, die man sich in einem Baukastensystem individuell zusammenstellen kann.

Die Abbildung zeigt eine kleineAuswahl der Parameter (Gesichtsform, Augenfarbe, Hautfarbe, Bekleidung] dieses Baukastens,

An Redoxvarianten mit nichtmenschlicher Gestalt be­steht im terranischen Markt kaum eine nennenswerte Nachfrage. Einzig das Modell Kartanin schreibt eini­germaßen attraktive Verkaufszahlen. Das Nachbilden von Minderjährigen sowie von lebenden oder toten Personen, die nicht ausdrücklich ihre Einwilligung gegeben haben, ist strengstens verbo­ten.

Trotzdem sind auf dem schwarzen oder roten Markt zuhauf illegale Modelle mit den Bezeichnungen »Ma­rilyn«, »Mirona« oder »Roi« zu finden.

 

Neben professionellen Pornostars sind es wider Er­warten erstaunlich viele Personen, die ihre Einwilli­gung geben, einen Redox von sich zu schaffen. Dies sind zum einen abgehalfterte Stars und Starlets, die sich auf diese Weise noch einmal in Erinnerung brin­gen oder gar auf eine gewisse Weise »Unsterblich­keit« erlangen wollen.

Zum anderen kommt dies oft in Beziehungen vor, in denen ein Partner psychisch oder physisch nicht zu körperlicher Liebe in der Lage ist. In diesen »Menage ä troi« stellt der gehandicapte Partner einen Redox von sich her, der dann seinen Part übernimmt.

 

In solchen Fällen steht am Anfang ein Ganzkörper­scan der Originalperson.

Der anhand dieser Daten gefertigte Rohkörper wird mit einer Persönlichkeitssimulation ausgestattet, die auf einer gründlichen psychologischen Profilanalyse des Driginals basiert. Je nach gewünschter Original­treue kann dies im Einzelfall bedeuten, dass das Ori­ginal über Wochen hinweg von einer Monitoreinheit begleitet wird, die jede seiner Verhaltensweisen und Äußerungen studiert.

Das bekannteste Beispiel hierfür war der Fall der tod­kranken Trivid-Schauspielerin Nevella Katiuschin. Aus Liebe zu ihrem Partner ließ sie über ein halbes Jahr hinweg einen Redox auf sich prägen. Diese spezielle Einheit ging in der Rolle so sehr auf, dass sie nach dem Tod der Schauspielerin sogar für kurze Zeit in kleineren Rollen auftrat, bis die Ethikkommission der LFT diese Auftritte schließlich unterband.

 

Aber auch die negativen psychischen Auswirkungen einer zu starken Fixierung auf einen Redox sollen hier nicht unerwähnt bleiben.

Ähnlich wie Terraner ihr Haustier als Kind-Ersatz be­handeln und verhätscheln, kann es zu einer psy­chischen Abhängigkeit von einem Redox kommen. Dies beginnt oft mit einem schleichenden Kontaktver­lust. 

Der Roboter nimmt immer mehr die Stelle eines menschlichen Partners ein. Die betroffenen Personen halten die vorgetäuschten Lustäußerungen zuneh­mend für real und verlieren sich in Narzissmus. Kritik von Dritten an dieser Situation wird ignoriert. Da Redox von ihrer Programmierung her willig und widerspruchslos sind, wird sich ein Realitätsverlust einstellen, bis die betreffende Person nicht mehr in der Lage ist, sich mit anderen Personen auseinander­zusetzen, die eigene Ansichten vertreten.

 

Ein weiteres Thema, das auch wieder in der gesell­schaftlichen Kritik steht, ist die Gefahr, dass die Wil­ligkeit eines Redox auf lebende Personen projiziert wird. Gerade Jugendliche, die ihre ersten sexuellen Erfahrungen an einem Redox gemacht haben, stehen oft vor dem Problem, dass ihr menschlicher Partner »nicht so will«, wie sie es gewohnt sind. [Siehe auch: Dr. med. Poeh Ling: »Männerfantasien, Frauenträu­me - eine transpubertäre Untersuchung« Dust Lake City, Mars, 1323 NGZ, 6. Auflage]

 

Auch weiterhin besteht Diskussionsbedarf über die verschwindend kleine, aber nichtsdestotrotz vorhan­dene Personengruppe, die ihre gesellschaftlich nicht konformen sexuellen Neigungen an einem Redox ausleben, wie es zuletzt der »Robot-Rippervom Ruhr­pott« 1258 NGZ vorgemacht hat.

 

Der Besitz eines Redox unterliegt dem Persönlich­keitsschutz, d. h., ein Redox muss nur bei Untersu­chungen durch staatliche oder öffentliche Organe als Android erkennbar sein. Der gut gebaute, einfühlsame Freund der Nachbarin könnte durchaus ein Redox sein. Aus diesem Grund sind auch wenige statistische Daten verfügbar. Den Verkaufszahlen der Hersteller nach sollte allerdings in zwei Prozent derterranischen Haushalte ein Redox vorhanden sein.

 

Auch wenn ohne eine entsprechende Ausrüstung ein Redox nicht von einem Menschen zu unterscheiden ist ...

... achten Sie mal darauf, ob die gut aussehende Freun­din Ihres Nachbarn häufig unter der Haube für die Hypnoschulung sitzt.

Text und Zeichnung: © Dieter Bohn